… titelt die Süddeutsche Zeitung auf Seite 3 in ihrem Artikel vom 24. Januar 2023, verfasst vom selbst in meinen kritischen Augen brillanten Schreiber Josef Wirnshofer.
Wie aus einer Mail Musik wurde
Kürzlich hat Josef Wirnshofer mich nach Turin zu einer ganz speziellen musikalischen Uraufführung begleitet. Aus dem Nichts heraus hatte ich im Frühjahr 2022 im Spam eine Mail des mir völlig unbekannten Erik Battaglia gefunden. Er schickte mir das Lied von Richard Strauss, das dieser zur Begrüßung meines Vaters Hans Frank 1943 handschriftlich mit Text und Melodie aufs Notenpapier gekritzelt hatte.
Ich bedankte mich herzlich, wir kamen ins Mail-Gespräch, und er erzählte, dass er aus dem kurzen Liedlein eine Fuge komponieren wolle, und ob ich dazu Texte beitragen könne. Das elektrisierte mich! Auf diese neue Weise meinem Massenmörder-Vater und dem Ober-Opportunisten Richard Strauss eins mitgeben und wieder ein paar Wahrheiten aussprechen zu können, ließ mich rachedurstig diese Verse schreiben:
Richard Strauss in Turin
Bei der Uraufführung zum jährlichen Gedenktag der Befreiung unseres deutschen KZs Auschwitz durch die sowjetische Armee sang der Bariton Diego Maffezzoni die erste Original-Strophe von Richard Strauss und die letzte meiner Variationen zum Strauss-Text. Die Strophen dazwischen sprach er – von Eric Battaglia in italienische Reime gebracht – mit mitreißend enthusiastischer Stimme ins mucksmäuschenstille Publikum.
Nach jeder einzelnen Strophe erklang ein weiterer Teil von Battaglias wunderbarer Fuge, in der er nicht nur Wagners Oper „Lohengrin“, sondern auch unsere Nationalhymne anklingen ließ. Gespielt wurde die Komposition von zwei Geigen, einer Bratsche und einem Cello – zur Wiederaufführung hier in Deutschland wärmstens zu empfehlen!
Wer wanzt sich an, so schleimig tief?
Offensichtlich dankte Richard Strauss 1943 in seinem Lied meinem Vater, dass er in seine Garmischer Villa keine in seinen Augen sicher schmuddeligen und musikalisch ungebildeten Flüchtlinge aufnehmen musste…
Bildausschnitt aus “E. Battaglia “Lieder di Richard Strauss”
1
Wer tritt herein so fesch und schlank?
Es ist der Freund, Minister Frank
Wie Lohengrin von Gott gesandt
Hat Unheil er von uns gewandt.
Drum ruf ich Lob und tausend Dank
Dem lieben Freund, Minister Frank
2
Wer tritt herein, so Geistes blank?
Es ist der Massenmörder Frank,
Wie Beelzebub von Gott gesandt
Hat die Moral er abgebrannt.
Drum ruf ich „Heil!“ und tausend Dank
Dem lieben Judenschlächter Frank
3
Wer kommt herein, voll Mörderlust?
Hans Frank drückt mich an seine Brust.
Wie peinlich seine Schleimerei,
und dennoch hilft sie mir dabei
Zu komponieren höchst adrett,
was kümmert mich noch ein KZ?
4
Wer wanzt sich an so schleimig tief?
Es ist Hans Frank in seinem Mief.
Die Juden sind ihm großer Graus,
Drum rottet er sie alle aus.
Mir ist das recht, ich mocht´ die nie
Und spiel die Todesmelodie.
5
Wer wurde schnell zum Polen butcher?
Es ist Hans Frank, der Nazi-Lutscher.
Ich galt ihm mehr als jeder Jud,
Uns beiden fehlte aller Mut,
auch Menschlichkeit und Toleranz,
wir machten mit beim Mördertanz.
6
Ich haute auch mit eitler Lust
Die Untermenschen vor die Brust.
Freund Frank, der machte eifrig mit,
bis er dafür am Galgen litt.
Ich kam davon und blieb ganz groß,
doch meine Unschuld war ich los.
7
Wir Deutschen haben das verdrängt,
Wofür Hans Frank wurd´ aufgehängt.
Wir leben geil, mit viel Meriten,
Sind wieder laut Antisemiten
Und finden Richard Strauss sehr gut
Trotz eines Meeres voller Blut
8
Wir warten in geheimer Lust
Auf eine neue Führerbrust.
Damit wir dann, uns kuschlig lehnend,
Wie Frank Demokratie verhöhnend,
Kleindeutschland zu Großdeutschland machen.
Nur Lohengrin wird das belachen.
9
Wer kommt herein vor Wut ganz krank?
Der Sohn ist´s von Minister Frank!
Aus dessen Samen er erstand,
Hat er von Hans sich abgewandt.
Hat ihn bekämpft und arg versaut,
Weil´s ihm vor diesem Vater graut.
10
Beschimpft auch mich, den großen Strauss,
Weil ich die Kunst verriet, oh Graus!
Behauptet frech: Geht Kunst nach Brot,
Ist das der freien Künste Tod.
Wer sich gemein macht mit Hans Frank,
Der sei korrupt und freiheitskrank.
11
Bis heute bin ich hoch geehrt
Und von Orchestern sehr begehrt.
Das heißt, dass meine Kunst wie nie
Vernichtet die Ideologie.
Drum sage ich dem Himmel Dank,
Bin stets zu Diensten jedem Frank.
Die erste und die letzte Strophe wurden von dem Bariton Diego Maffezzoni gesungen, die Strophen dazwischen in die Stille hinein gesprochen.