Anhand zahlloser Akten erzählt Niklas Frank empörende, aber auch absurd komische Fälle voller Lug und Trug aus der Zeit der Entnazifizierung zwischen 1945 und 1951. Dreist verkauften damals Mitglieder und Nutznießer der NSDAP die Spruchkammern für dumm und retteten sich ohne Reue ins demokratische Deutschland. Frank gewährt uns großartige Einblicke in den giftig-süßen Beginn der bundesdeutschen Demokratie und erschreckende in den Alltag des »Dritten Reichs«. Böse analysiert er, dass ein direkter Weg von damals zum heutigen Verhalten der schweigenden Mehrheit der Deutschen führt. Ein Buch zum Staunen, wütend Werden und zum bitteren Lachen.
Neben Prominenten wie Lina Heydrich, Oskar von Hindenburg, Emmy Göring, Winifred Wagner und anderen interessiert sich Frank vor allem für die vielen unbekannten Nazis, die das unmenschliche System gestützt und bejubelt haben, ihre Mitmenschen denunzierten, bei der Judenverfolgung wegsahen und sich bei den Mächtigen anbiederten. Plötzlich mussten sie für ihre Gesinnung geradestehen und entwickelten erstmals Mut – den Mut zur Feigheit.
PRESSESTIMMEN
Jüdische Allgemeine am 6.7.2017
Berliner Zeitung am 20./21.5.2017
3Sat Kulturzeit am 8.5.2017
Interview in der BBC am 26.4.2017
Interview mit Niklas Frank in der Frankfurter Rundschau am 28.2.2017
SWR2 Die Buchkritik am 23.2.2017
Deutschlandfunk am 6.2.2017
Niklas Frank bei Markus Lanz am 26.1.2017
WDR Scala am 12.1.2017
Rezension im Tagesspiegel am 11.1.2017
Rezension im Neuen Deutschland am 26.11.2016
Rezension auf www.buchmarkt.de am 21.10.2016
Rezension auf focus.de am 18.10.2016
»Kein Nazi nirgends« Rezension in der Buchmessenausgabe der taz am 18.10.2016
Heike Pohl –
Es ist so dick und es wiegt schwer.
Und nicht leicht zu lesen ist es auch dieses Buch, weil man mit der Wut und dem Entsetzen von Niklas Frank und dem eigenen Zorn und Unverständnis klarkommen muss.
Niklas Frank beschreibt über 577 Seiten hinweg das, was ab Juli 1945 als sog. „Entnazifizierungsprozess“ dafür sorgen sollte, die deutsche und österreichische Gesellschaft, Kultur, Presse, Ökonomie, Justiz und Politik von den Einflüssen des Nationalsozialismus zu befreien. „Wie skandalös und komisch sich die Deutschen beim Entnazifizieren reinwaschen“ lautet der Untertitel zu diesem Buch und dafür hagelt’s seitenweise Beispiele.
Die Wut treibt ihn um, sie springt einen förmlich an von jeder Seite dieses und seiner vorangegangen Bücher zum Thema.
Wer seine Familiengeschichte nicht kennt, der wird sich schwer tun mit diesem Zorn, der keine Rücksichtnahme und kein Pardon kennt, am allerwenigsten dann, wenn es um den eigenen Vater und die eigene Mutter geht. Und wer sie kennt, der wird das Gefühl nicht los, es schriebe sich ein Mensch Finger und Seele wund. Oder frei?
Niklas Frank, sein Vater Hans Frank wurde als „Judenschlächter von Krakau“ und Generalgouverneur von Polen ein Teil der deutschen Geschichte und infolge der Nürnberger Prozesse zum Tode verurteilt und hingerichtet, hat in den Staatsarchiven der Bundesländer rund 3.000 Akten gesichtet. Aus etlichen Verfahren konzentriert sich das Buch, neben einigen prominenteren Angeklagten, vor allem auf die Geschichten weitgehend unbekannter Nazis, „die das unmenschliche System gestützt und bejubelt haben, ihre Mitmenschen denunzierten, bei der Judenverfolgung wegsahen und sich bei den Mächtigen anbiederten“.
„Plötzlich mussten sie für ihre Gesinnung geradestehen und entwickelten erstmals Mut – den Mut zur Feigheit“, heißt es im Klappentext.
In seinem Vorwort vermerkt Frank gewohnt bissig: „Nie wurde ich bei meiner Arbeit im Archiv von anderen Besuchern gestört, die mich zum Beispiel mit der Frage angeschnauzt hätten: >“Was machen Sie da mit den Entnazifizierungsakten meines Vaters, der als Obersturmbandführer so tapfer gegen die Nazis kämpfte?“ Oder: „Dass meine Oma eine Denunziantin war, geht Sie einen Dreck an!“
„Sie alle verweigern die private Auseinandersetzung mit der dominierenden Charaktereigenschaft der Deutschen: Der Feigheit“, stellt Frank kategorisch fest, und diese Kompromisslosigkeit in der Sache lässt vermuten, warum die einen ihn und seine schonungslose Abrechnung mit der Schuld der Deutschen bewundern und die anderen ihn ablehnen.
Um die während der nationalsozialistischen Herrschaft begangenen Verbrechen und deren Täter einer möglichen Strafverfolgung unterziehen zu können, wurden die betreffenden Personen in fünf Kategorien eingeteilt, man sprach von Hauptschuldigen (Kriegsverbrecher) / Belasteten (Aktivisten, Militaristen und Nutznießer) / Minderbelasteten (Bewährungsgruppe) / Mitläufern sowie Entlasteten, die vom Gesetz nicht betroffen waren.
3,66 Millionen dieser Akten liegen in den Bundesländern in den Archiven bereit. Jeder nahe Angehörige hat das Recht, die Akte seines Verwandten einzusehen.
Frank gelangt zu der Auffassung, dass nach wie vor kaum einer der Millionen deutscher Nachkommen sich tatsächlich für die Wahrheit seiner Nazi-Vorfahren interessiere. „Die tollsten, absurdesten, witzigsten und widerwärtigsten Geschichten habe ich gefunden. Ich wusste gar nicht, was für ein saukomisches Volk wir Deutschen sind – allerdings unfreiwillig komisch!“, gibt er in einem seiner Interviews zu Protokoll.
Als seien damals über Nacht aus überzeugten Nationalsozialisten und Mitläufern überzeugte Demokraten geworden, so staunt man neuerdings über erstarkenden Nationalismus, Rassismus, Rechtsextremismus und unverhohlen zur Schau getragene Fremdenfeindlichkeit. Der mögliche Einfluss der gescheiterten Entnazifizierung, so möchte man meinen, findet dabei kaum Beachtung.
„Lasst uns mit eurem Schuldkult in Frieden“ – sie werden laut und lauter, die Stimmen derer, die am liebsten längst den bequemen Schlussstrich gezogen hätten oder die – schlimmer noch – verharmlosen, klein reden, relativieren oder gar leugnen, was geschehen ist. Vor diesem Hintergrund kommt Niklas Frank zu dem Schluss, „dass ein direkter Weg von damals zum heutigen Verhalten der schweigenden Mehrheit der Deutschen führt.“
Der ehemalige STERN-Journalist und Autor ringt mit einem Trauma, macht seine Wut immer wieder öffentlich, und präsentiert seinen Lesern einen zufälligen Querschnitt der Lügengebäude der Nachkriegszeit: Empathie, Zweifel, Einsicht – Fehlanzeige.
Ich jedenfalls habe mir nach Lektüre dieses Buches fest vorgenommen, die Akten meiner Großväter einsehen zu wollen.