Das Denk!-Mal

Wir Deutschen und Österreicher haben die von uns penibel durchgeführte Vernichtung von jüdischen Kindern, Frauen und Männern bis heute nicht als unsere ureigenen Verbrechen angenommen. Stattdessen bauten wir Denkmäler und Gedenkstätten. Ein nahezu genialer Ablenkungscoup für daheim und das Ausland.

Dabei wäre das einzig ehrliche Denkmal eine riesige Krokodilsträne, in der sich unsere Scheinheiligkeit täglich spiegelt. Das hab ich immer wieder mal bei Einladungen in Schulen und öffentlich gefordert.

Jetzt ließ ich sie selbst bauen. Jetzt thront sie zwischen Bäumen auf der großen Wiese neben meinem Reetdachhäusel.

Es gibt in Europa 105.000 Stolpersteine (Quelle: Gunter Demnig, Stand: 11/2023) für die von uns ermordeten jüdischen Kinder, Frauen und Männer und 354 Gedenkstätten oder Denkmäler in Deutschland. Die dazugehörigen Infocenter sind hervorragend und klären auf. Und dennoch habe ich seit Jahrzehnten dieses Gefühl der Scheinheiligkeit: Die Mörder bauen den Opfern ein Denkmal! Scheinheilig insofern, als die Gesellschaft drum herum nie den Schrecken unserer Untaten an sich herankommen ließ. Nur hohle Sonntagsreden werden geschwungen, während der Antisemitismus schon wieder in voller Blüte steht.

Der Antisemitismus ging mitnichten mit unserer totalen Kapitulation am 8. Mai 1945 flöten.

Also steht jetzt als 355. Mahnmal das einzig ehrliche in tiefster schleswig-holsteinischer Pampa. Sie können das schwarz-rot-gold bemalte Krokodil mit seiner aus dem Auge quellenden Träne, in der man sich spiegeln kann, mieten!
(Sprechen Sie mich bitte einfach darauf an.)

Foto: Heike Pohl

Er wurde still in Herz, Hirn und Seele weitergetragen. Jetzt wird er wieder laut. Jetzt wird er wieder aggressiv.

Träger des deutschen Antisemitismus sind die Millionen Familien, in denen seit Urgroßvaters Zeiten geschwiegen wird. Über die eigene Verstrickung in die Nazi-Diktatur. Über die eigene Feigheit. Über die eigene Gier nach jüdischem Besitz. Da helfen auch nicht die seit Kriegsende ausufernden Erzählungen über das eigene Leid durch Bombardierung, den Verlust von Ehemännern, Söhnen, Vätern. Ihr Leid war Reaktion auf unsere brutale, menschenverachtende Aggression.

Thomas Manns Tochter Erika hat uns schon 1946 in ihrer Kritik am Dichter Werner Bergengruen bescheinigt, was wir mit sturer Energie durchgezogen haben:

»Jegliche deutsche Schuld im Meer menschlicher Sündhaftigkeit aufzulösen.«

Es ist nicht Mitscherlichs »Unfähigkeit zu trauern«, denn das würde bedeuten, dass wir zwar trauern wollten und wollen, aber nicht können.

Nein, wir haben uns bewusst dagegen entschieden und das Verschweigen gewählt, um unseren Judenhass behalten zu können.

Text aus: “Zum Ausrotten wieder bereit?” von Niklas Frank, Seite 8


Von der Rede zur Einweihung des Denk!-Mals haben wir ein Video aufgenommen, das Sie sich hier ansehen können.

1 Kommentar zu „Das Denk!-Mal“

  1. Obwohl ich Ösi bin – der Mut dieses Mannes ist einmalig. Auch wir haben einen rechten Trend und hoffen auf die Besinnung der Menschen im heurigen Wahljahr.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Warenkorb
Nach oben scrollen